Dienstag, 16. April 2013

Angriff der Killerprostituierten

Kann man in Ashgabat ausgehen? Der Lonely Planet sagt: Wenn, dann am besten im "British Pub", dort tummeln sich die Ausländer der Stadt, es gibt Livemusik. Gut, dann gehe ich doch einfach mal abends auf einen Burger und ein Bier dorthin und höre ein bisschen der Musik zu, habe ich mir gedacht. Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich mich in "Gefahr" begeben werde.

Die Kneipe sah tatsächlich aus, wie ein echter English Pub und war ziemlich voll. Die Liveband hat mir gefallen, hat rockige Songs gecovert. Es gab Spielchen, bei denen Männer unter anderem in die Luft hüpfen und irgendetwas von der Decke schnappen mussten.

Nach etwa zehn Minuten kam mein Essen und sogleich auch eine junge Dame mit an meinem Tisch. Sie hatte ein schönes blaues Abendkleid an, mit einer Blume dran. Allerdings sah sie nicht aus, wie eine Turkmenin, eher etwas heller. "Hi, was machst Du denn hier so alleine?"
Oh je... Vermutlich wäre sie sogar ziemlich süß gewesen, wenn sie nicht so einen aggressiv lüsternen Blick draufgehabt hätte und wenn sie ihre doch recht auffällige Brust in Originalgröße gelassen hätte.

Wir haben uns fünf Minuten lang nett unterhalten. Angeblich ist sie halb Aserbaidschanerin, halb Ukrainerin und ganz alleine im Pub. Doch schon bald folgte die Verabschiedung: "Was hast Du heute eigentlich so vor?", fragte sie mich. "Bier trinken und dann ein bisschen der Musik zuhören." - "Und danach?" - "Nach Hause gehen." - "Alleine." - "Ja." Sie guckte böse: "Na gut, dann guten Appetit." Und weg war sie. So ein unanständiges Mädel, ts, ts, ts ;-)

Ich habe weitere 10 Minuten gegessen und Bier getrunken, da war auch schon die nächste am Start. Ich kam mir vor, wie ein Kaninchen vor einem Adlerhorst. Das zweite Mädel hatte neben dem ersten im blauen Kleid gesessen, das hatte ich aus dem Augenwinkel gesehen. Vermutlich hatte sie irgendeinen Tipp bekommen, wie: "Der Kleine ist schüchtern, fall nicht gleich mit der Tür ins Haus." Jedenfalls habe ich mich mit der zweiten Frau, die eher im lässigen Stil gekleidet war, fast eine Stunde lang unterhalten. Von zusammen ins Hotel gehen war keine Rede, ich bekam erst einmal keinen Grund geliefert, sie wegzuschicken.

Immer wieder sind wir zu den anderen Leuten auf die Tanzfläche gegangen. Das Mädchen war recht witzig, etwas skurril, erzählte von einem älteren Freund in Deutschland, den sie Papa nennt (?!). Manchmal, wenn sie mich anguckte, zwinkerte sie ganz wild und schnell mit einem Auge. War das verführerisch gemeint? Ich weiß es nicht.

Da tanzt sie, die verrückte Nudel...


 

Auf der Tanzfläche stand plötzlich eine Gruppe von Expats neben uns, aus Russland, Lettland und Frankreich. Eine Mitte 20-jährige Russin wirkte die ganze Zeit so, als ob sie mir etwas mitteilen wollte. Plötzlich kam sie auf mich zu und fragte mich, ob ich bei irgendeiner Firma (deren Namen ich vergessen habe) arbeite. Sie guckte mich dabei eindringlich an, irgendwie komisch...

Gegen halb zwölf machte der Pub zu und meine Tanznudel wurde wütend: "So ein beschissenes Land hier, mit dieser Sperrstunde. Unglaublich, hier kann man nichts machen. Nur Regeln, Regeln, Regeln." Sie machte Anstalten, mit mir zusammen nach draußen zu gehen. Ich dachte mir nur: "Ok, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, sie freundlich aber bestimmt loszuwerden und ihr Gezeter zu ignorieren."

Doch soweit kam es gar nicht. Einer der Expats kam auf mich zu und sagte: "Komm mal kurz mit." Das Mädel wurde wütend: "Was willst du denn, du störst." Ich bin dennoch mit dem Franzosen auf die Seite gegangen. Er sagte zu mir: "Pass auf, ich kenne dich nicht, aber du hast dir die schlimmste Hure aus ganz Ashgabat ausgesucht." Ich musste grinsen: "Ich habe sie nicht ausgesucht, ich hätte mich jetzt sowieso gleich alleine auf den Weg gemacht." - "Komm doch mit zu uns an den Tisch, wir feiern einen Geburtstag." Warum eigentlich nicht. Ich habe mich von der mittlerweile etwas erbosten Lady verabschiedet und bin zu den Expats gegangen.

Die Russin sagte zu mir: "Hey, was für ein Glück. Ich habe meinen Freund extra zu dir geschickt. Weißt du, dass es in Turkmenistan strengstens verboten ist, etwas mit Einheimischen anzufangen?" - "Aber ich wollte doch gar nicht..." - "Selbst, wenn man dich nur mit ihr auf der Straße sieht, ist es gefährlich. Wir kennen sie übrigens, sie ist hier immer auf der Jagd und du bist Frischfleisch. Es kommt selten vor, dass ein Ausländer hier alleine herumsitzt."

Die Expats erzählten mir, dass zwei Freunde von ihnen, zwei Franzosen, wegen Prostituierten für jeweils 14 Tage ins Gefängnis kamen. Sie mussten eine saftige Strafe zahlen und wurden anschließend aus dem Land geworfen. Die Prostituierten waren mit ihnen ins Hotel gegangen, doch noch bevor es zu irgendetwas gekommen ist, hatten sie den Immigration Service angerufen. Die Franzosen wurden verhaftet und die Prostituierten haben vermutlich eine Provision kassiert. Viele von ihnen arbeiten offenbar mit korrupten Beamten zusammen.

Die Russin hat die Franzosen im Knast besucht und für sie übersetzt. Sie seien fix und fertig gewesen, denn die Gefängniszelle war extrem schlimm, nur ein blanker Raum, ohne Toilette und Bett.

Weil in Ashgabat nach Mitternacht nichts mehr geöffnet hat, sind die Expats zum Geburtstag feiern zu sich ins Hotel zurückgefahren und haben mich einfach mitgenommen. Ich habe ihnen erzählt, dass ich über (fast) alles, was ich erlebe, blogge. Ich musste ihnen versprechen, nicht zu erwähnen, für welches Unternehmen sie arbeiten, denn sie sind auch vom turkmenischen Staat abhängig. Aber so spannend wäre diese Info nun auch nicht.

Ich kann nur sagen: Wir waren im vielleicht luxuriösesten Hotelkomplex, den ich je betreten habe. Es war ein recht netter Abend. Wir haben Sekt getrunken und viel gequatscht. Ich habe immer wieder gefragt, wie es ist, in Ashgabat zu leben. Ein Franzose sagte mir: "Absoluter Horror, eine depressive Palastwüste. Man kann hier absolut nichts machen. Wir hängen meist zu Hause herum. Zu den Turkmenen haben wir kaum Kontakt, denn die haben alle Gehirnwäsche abbekommen. Du kannst niemandem trauen, hast schnell mal den Geheimdienst am Hals."
Der Franzose erzählte, dass er einmal mit Handschellen an einen Baum gefesselt wurde, weil der Präsident in seiner Limousine vorbeieskortiert werden sollte und er ein Risiko dargestellt habe.

Bei Expats muss man immer ein bisschen vorsichtig sein, finde ich. Auf der einen Seite bekommt man eine kritische, unabhängige Sicht geboten, auf der anderen Seite aber auch eine sehr spezielle Wahrnehmung von Leuten, die sich damit herumärgern, dass die Dinge anders laufen, als zu Hause. Interessant ist es aber allemal. Die Jungs unter den Expats haben auch bedauert, dass man als Ausländer nichts mit Turkmeninnen anfangen darf. Man kann eine Turkmenin heiraten und mit nach Hause bringen. Doch dann muss man angeblich 80 000 US-Dollar an den Staat zahlen.

Donnerstag, 11. April 2013

Ashgabat - der irre Prunk der turkmenischen Regierung

Gleich an meinem ersten Abend in Konye Urgench stattete mir die turkmenische Diktatur einen Besuch ab. "Rums, rums, rums!" hämmert es an meiner Hotelzimmertür: "Immigration Service!" Im Flur stehen zwei etwa 30-jährige Typen mit schwarzen Lederjacken. Sie wollen meinen Pass und mein Visum sehen. Einer der Männer motzt mich an: "Warum wohnst du denn hier?" - "Warum nicht?" frage ich erstaunt. Er schimpft: "Warum bist du nicht im Urgench Hotel?" - "Weil ich in diesem Hotel bin. Es stand in meinem Reiseführer." - "Zeig uns deinen Reiseführer." Und schon wieder wird mein Lonely Planet genau unter die Lupe genommen. In Turkmenistan ist ein Reiseführer offenbar das verdächtigste Objekt, dass man mitbringen kann.

"Du bist nicht im Urgench Hotel", stellt der eine Lederjackentyp noch einmal erbost fest. Und da fällt es mir ein: Stimmt, ich hatte das Urgench-Hotel beim Grenzübertritt als erste Unterkunft angegeben. So etwas dummes, jetzt bin ich doch aus Versehen in ein anderes Hotel gegangen ...

"Hast Du Bücher über Religion?" will der Kontrolleur wissen. Wie, eine Bibel oder was? "Nein, nur Romane." Der Typ ist skeptisch. Ich soll alle meine Bücher auspacken. Er zeigt auf "Der Schneeleopard" von Tschingis Aimatow. "Was ist das für ein Buch, worum geht es da?" - "Dieses Buch habe ich leider noch nicht angefangen. Das lese ich als nächstes." Diese Antwort passt ihm nicht. Ok, dann denke ich mir eben etwas aus: "Es geht um das Leben und um die Liebe", sage ich. Und siehe da, er scheint zufrieden zu sein. Hoch professionell.

Nach dieser kurzen, etwas skurrilen Kontrolle ziehen die Typen ab und ich habe meine Ruhe.
Am nächsten Morgen fahre ich mit einem Sammeltaxi in die Hauptstadt Ashgabat. Ich stelle bei dieser Fahrt erfreuliches fest: 1. Turkmenische Taxifahrer bescheißen nicht. Ich muss, wie die Einheimischen, knapp 10 Euro für 7 Stunden Fahrt bezahlen. 2. Turkmenische Mitfahrer sind höflich und zurückhaltend. Keiner fragt mich über meinen Familienstand oder deutsche Automarken aus. (Das soll sich, zurück in Kasachstan, wieder schlagartig ändern) 3. Turkmenische Mitfahrer riechen ziemlich gut, benutzen offenbar viel gutes Parfüm. Auch im Bahnhof von Ashgabat ist es mir aufgefallen. 4. Die Frauen sind auffallend hübsch, Typ: arabische Prinzessin.

In Ashgabat beziehe ich ein semiluxuriöses Hotel, für umgerechnet 40 Euro die Nacht (günstigeres ist schwer zu finden)
 


 
In jedem Stockwerk hängt ein Bild des Präsidenten und eine Dame sitzt auf einem Sofa. Sie behütet die Schlüssel für die Zimmer und guckt ansonsten viel fern oder starrt an die Wand, Traumjob!
 
 


 Ist mein Zimmer verwanzt? Man weiß es nicht. Teure Businesshotels sollen zum Teil abgehört werden.
 
Am nächsten Tag habe ich mir Ashgabat angeguckt und mir ein Bild über das Ausmaß der turkmenischen Diktatur gemacht. Am spannendsten fand ich den rund einen Kilometer langen Marmorpalast-Komplex des Präsidenten. Hier herrscht strengstes Fotografierverbot, deswegen ein Bild aus dem Netz ...
 

 
 
Ich war schon in einigen Städten auf der Welt, doch die Straße zwischen den Marmorpalästen in Ashgabat ist die definitiv die krasseste Prunkstraße, die ich je gesehen habe. (Na gut, ich war noch nicht in Las Vegas oder Dubai.) Ich hoffe, ich finde noch ein besseres Bild ...
 
 

 
Naja, kommt vielleicht nicht ganz rüber. Man muss sich einen Kilometer Prachtboulevard mit einem riesigen Marmorpalast neben dem anderen vorstellen, dazwischen hunderte Fontänen, Treppen und vom feinsten gepflegte Baumreihen. Überall fegen Menschen die Straßen, Polizisten stehen stramm. Wenn sie einen sehen, winken sie manchmal ganz wild, weil man aus Versehen auf irgendeinem verbotenen Fußweg läuft, oder auf der falschen Straßenseite.
 
Doch ich habe festgestellt: Wenn man freundlich auf die Polizisten zugeht und sie auf Russisch nach einer Auskunft fragt, sind sie oft richtig nett. Manchmal entsteht sogar ein kleiner Plausch. Ein Polizist fragte mich: "Was machst Du beruflich." - "Journalist." Upsi, da ist es mir doch glatt herausgerutscht. Werde ich jetzt verhaftet? - Nein, der Polizist lächelt: "Interessant. Was für ein Medium? Über was berichtet ihr so in Deutschland?" Ich erkläre ihm vorsichtig, dass wir in Deutschland gerne unsere Regierung kritisieren. Der Polizist scheint das interessant zu finden.
 
Laut Reporter ohne Grenzen ist Turkmenistan weltweit auf dem drittletzten Platz, was Presse- und Meinungsfreiheit angeht. Nur Nordkorea und Eritrea (oder war es doch Somalia) sind schlimmer. Die turkmenische Regierung saugt ihr Land ähnlich aus, wie die usbekische. Sie hat einen extrem starken Polizeiapparat und Geheimdienst und unterdrückt die Opposition brutal. Hinzu kommen strenge Verhaltensregeln (wer sein Auto z.B. nicht wäscht, muss 50 US-Dollar Strafe zahlen) und ein starker Personenkult.
 
 
 
Das ist Saparmyrat "Kim Yong" Nyazow. (King Kong würde vielleicht auch passen.) 
Er hat das Land als "Führer der Turkmenen", turkmenisch: "Turkmenbashi" (bayerisch: "Schurkenbatzi") regiert. 2006 ist er gestorben. Wie jeder durchgeknallte Diktator hat er allerhand verrückte Dinge gemacht wie:
 
- eine eigene Bibel ("Ruhnama") geschrieben und sie zur wichtigsten Pflichtlektüre erklärt
- einen schmissigen, hitleresken Slogan ausgerufen: "Halk, Watan, Turkmenbashi!" (Volk, Nation, Führer!)
- alles mögliche nach sich selbst benannt: Schulen, einen Flughafen, eine Stadt, einen Meteoriten
- sein Bild auf Geldscheine gedruckt
- goldene Statuen von sich selbst aufgestellt
- Monate und Wochentage nach sich selbst und seiner Familie benannt (der Januar hieß bis zu Nyazows Tod Turkmenbashi)
 
2002 gab es ein (möglicherweise inszeniertes) Attentat auf Nyazow, woraufhin er sich von seinem Parlament zum Propheten ernennen lies.
 
Nach seinem Tod, 2006, übernahm sein ehemaliger Leibzahnarzt Gurbanguly Berdimuhamedow das Ruder. Er ist nicht ganz so durchgeknallt wie sein Vorgänger, hat vereinzelte Reformen durchgesetzt. Es gibt Rente, man darf in Autos wieder laut Musik hören, der Nyazow-Personenkult wurde reduziert. Doch auch Berdimuhamedow gilt es in Turkmenistan zu verehren, daran wird man immer wieder erinnert ...
 
 
 
 
 
 Hier die Urlaubsvariante ...
 
 
 
Wie leben die Menschen in so einer Diktatur? Das war für mich in den fünf Tagen sehr schwierig herauszufinden. Ich habe, so oft es ging, nachgefragt. Mein Eindruck: Den meisten Menschen ist durchaus bewusst, dass sie sich in einem ziemlich abgeschotteten Staat ohne Demokratie befinden, dass alle Wahlen eine Farce sind und dass es da eine Regierung gibt, die in Saus und Braus lebt, während fast alle Bürger arm sind. Doch, ähnlich wie in Usbekistan, versuchen die Menschen vor allem das Positive hervorzuheben. Man habe immerhin etwas höhere Löhne, als die Usbeken (kein Wunder bei den massiven Erdgasreserven am kaspischen Meer, der Durchschnittslohn liegt vermutlich bei etwa 200-300 Euro im Monat). Es gäbe Gas, Wasser, Strom und Salz kostenlos.
 
Fast wie ein Mantra hört man immer wieder: "Es geht voran, es gibt immer mehr Reformen." Ein etwa 70-jähriger gebildeter Turkmene sagte zu mir im Zug: "Es ist schon klar, dass ihr in Deutschland weiter entwickelt seid, dass Turkmenistan aus eurer Sicht schlimm ist, aber wir sind eben noch ein junges Land. Ihr müsst noch etwas Geduld haben." Gut, wenn man bei jeglicher Äußerung von Kritik mit einem Bein im Knast steht, sind solche Aussagen nachvollziehbar. In Turkmenistan ist die Opposition nicht nur unterdrückt, sondern schlicht weg nicht vorhanden. Kritiker sind stumm, im Knast oder im Exil.
 
Was mir aufgefallen ist: Der Präsident kann sein Volk mit seinem Prunk durchaus beeindrucken. Immer wieder wurde ich von Turkmenen auf der Straße gefragt, wie ich Ashgabat finde. Wenn ich gesagt habe: "Sehr sauber, es ist schon die prächtigste Stadt Zentralasiens" leuchteten die Augen. Wenn ich hinzugefügt habe: "man sollte deutlich mehr Geld für Eure Löhne zur Verfügung stellen" lächelten die Leute: "Ja, ja, das stimmt, aber das kommt noch."
 
 
Hier noch ein paar Eindrücke aus dem prunkvollen Ashgabat:
 
 
 
  Unglaublich sauber der Platz
 
 
 
 
  Auch hier ein sensationelles Bergpanorama im Hintergrund
 
 
 
  
Das Erdbebendenkmal. Auf der Weltkugel sitzt der Turkmenbashi als goldenes Baby.
 
 
Als Tourist stellt man ziemlich schnell fest: Außer Prunkbauten angucken, kann man in Ashgabat nicht viel machen. Es gibt z.B. kaum Restaurants oder Geschäfte. Das Internet ist stark eingeschränkt. Man kann zwar einigermaßen gut surfen. Facebook, Youtube, Blogspot und WhatsApp sind allerdings gesperrt.
  

Mittwoch, 27. März 2013

Ankunft in Turkmenistan

In Khiva habe ich eine halbe, recht angenehm entspannte Woche verbracht und darauf gewartet, nach Turkmenistan einreisen zu dürfen. Wie ich bereits erwähnt habe, bekommt man für Turkmenistan entweder ein 5-Tage-Transitvisum, oder man guckt sich das Land zusammen mit einem Guide (bzw. Aufpasser) an. Das ist allerdings sehr teuer, weil man sich die Hotels nicht selber aussuchen darf.

Ich musste genau planen, wie ich in exakt 5 Tagen Turkmenistan durchquere. Mein Visum war auf den Zeitraum 21.3. bis 25.3. ausgestellt. Kurz vor meiner Einreise gab es das große "Nauryz"-Fest (so etwas wie muslimische Ostern). Die gesamte muslimische Welt stand Kopf und hat getanzt. In Khiva (wo Nauryz einen Tag früher als anderswo gefeirt wird) sah das so aus ...


 

Ich hatte noch nie etwas von Nauryz gehört, hatte aber extrem viel Glück, dass ich am 21. nach Turkmenistan eingereist bin. Einen Tag früher und ich wäre erst einmal stecken geblieben und hätte große Zeitprobleme bekommen. Alle Zufahrtsstraßen in die turkmenische Hauptstadt Ashgabat waren abgeriegelt. Strengste Sicherheitsvorkehrungen, denn der turkmenische Präsident hatte seine Kumpels zum Fest eingeladen: Mooma (Mahmud Ahmadinedschad), Ham (Hamid Karsai) und Assi (Asif Ali Zardari aus Pakistan).

Ich habe noch eine Nacht in Usbekistan, in Nukus, in einem aus Versehen recht luxuriösen Hotel geschlafen und bin am nächsten Morgen an die Grenze gefahren. Usbekistan/Turkmenistan sollte eigentlich der schwierigste Grenzübergang sein, der Übergang zwischen den beiden schlimmsten Staaten. Ich hatte mit allem gerechnet: durchgefilzt werden, angebrüllt werden, eingeschüchtert werden, verschleppt werden, abgewiesen werden...

Ich erzähl einfach mal, wie es abgelaufen ist. Bei den Usbeken stand ganz vorne am Zaun wieder der obligatorische Soldat in Kampfmontur, doch dahinter war erst einmal tote Hose. Ein Grenzgebäude, aber kein Mensch weit und breit. Ich bin rein ins Gebäude, wieder raus, ums Haus herum. "Ok, was mache ich, einfach durchlaufen zu den Turkmenen?", habe ich mich gefragt. "Hm, das könnte vielleicht Ärger geben. Ein Ausreisestempel wäre vielleicht nicht schlecht." Also habe ich mich in den leeren Wartesaal gesetzt und dann irgendwann mal an alle Türen geklopft. Ein junger Typ kam heraus. Er hat sich erst einmal eine Ladung von diesem highmachenden grünen Kautabak unter die Zunge gesteckt. (Es muss so etwas ähnliches sein, wie das schwedische Snooze. Usbeken haben mir gesagt, ich soll es nicht probieren, denn beim ersten Mal könne man umkippen.) Der Grenzbeamte hatte so viel Zeugs unter der Zunge, dass er gelispelt hat. Er schien vor allem persönlich an meiner Reise interessiert zu sein. "Cool, coole Route. Was war schöner Samarkand oder Buchara?" Mein Gepäck war ihm wurscht: "Da sind doch keine Waffen drinnen oder?" - "Nein, natürlich nicht". Ok, Stempel und dosvidanja. "Brauche ich die Hotelregistrierungen irgendwo noch?" - "Hä, was? Ach die Dinger, wirf sie doch einfach in diesen Mülleimer hier."

Dann kamen die Turkmenen. An deren Grenzhaus prangte erst einmal ein riesiges Bild des Präsidenten.



 Heimlich mit meinem Handy aufgenommen.
 
 
Die Turkmenen waren zu meiner Überraschung recht freundlich und entspannt. Mein Gepäck wurde halbherzig gecheckt: mal kurz grob in den großen Rucksack hineingeschaut, mal kurz den Laptop und den Fotoapparat ausgepackt, aber nichts angeschaltet. Der tatsächlich sympathisch wirkende Oberkontrolleur hinter der Glasscheibe hat sich vor allem für meinen Lonely Planet interessiert und ihn genau inspiziert. Den Turkmenen ist es scheinbar wichtig zu überprüfen, ob man auch wirklich ein Tourist ist und einen echten Reiseführer besitzt. Dann sollte ich mein erstes Hotel und mein Hotel in Ashgabat benennen. Ich habe einfach auf die schnelle irgendwelche Hotels herausgepickt. Dann hat der Kontrolleur herumtelefoniert und mir mitgeteilt, dass ich mich irgendwo hinsetzen soll, denn seine Kollegen hätten gerade Mittagspause. Ich habe eine Stunde lang mein Buch gelesen und dann durfte ich ohne weiteren großen Aufstand durch.
 
Doch dann kam das eigentlich schlimmste am gesamten Grenzübertritt. Ein älteres usbekisch-turkmenisches Ehepaar schlug vor, mit mir ein Sammeltaxi in die nächste Stadt zu teilen. Super Idee. Leider hatte das Ehepaar 15 vollbepackte Tüten mit Haushaltsgeräten dabei und leider musste man einen guten Kilometer durch einen Grenzkorridor laufen. Natürlich habe ich mitgeschleppt, denn in Zentralasien hilft man sich gegenseitig. Das deutsche: "Was gehen mich irgendwelche fremden Leute an" kennt man hier nicht.
 
Wir haben eine geschlagene Stunde den ganzen Haushalt durch den Korridor getragen, immer stückchenweise voran, weil die Tüten zum Teil megaschwer waren. 
 
Doch mit dem Taxi waren wir dann recht schnell in Konye Urgench (oben in der Mitte).
 
 
 
 
 
Mein Hotel war ein Ding...
 
 
  Hotel, Autowaschanlage und Hochzeitslokal in einem.
 
Natürlich hat es die ganze Zeit ordentlich gerumst und gescheppert. Na dann guck ich mir doch mal so eine turkmenische Hochzeit an, habe ich gedacht ...
 
 
 

 
Para, para, para, pere, pere, pere ... hör ich seit Wochen ständig, ist das eigentlich auch bei uns in Deutschland ein Hit?
 
 
Am nächsten Tag habe ich mir ausgiebig Konye Urgench angeschaut, da sollte es tolle Ruinen geben. Doch die waren nicht so leicht zu finden...
 
 
 
Etwas schlammige Stadt.
 
 
 
Hm, ein Fluss, nett.
  
 
 
 
Katze auf Mauer - immerhin immer ein gutes Fotomotiv.
 
 
 
 
 
Irgendwie eine völlig normale zentralasiatische Kleinstadt. Doch warum ist Konye Urgench, laut Lonely Planet, eines der fünf Tophighlights Turkmenistans.
 
Schließlich habe ich mich durchgefragt: "Wo sind denn hier so Tempel und Minarette und sowas ..."
 Und siehe da, etwas versteckt am Rande der Stadt ...
 
 
 
Tempelinskis!
 
 
 
 
Fast noch spannender aber waren die Turkmeninnen. Viele tragen traditionelle, äußerst bunte Kleider und Kopftücher...
 
 

 
Und ich muss sagen: Ich entschuldige mich bei allen Kasachen, die diesen Blog lesen, aber in Turkmenistan gibt es die meisten hübschen Mädels auf der Straße. Das hat sich in Ashgabat bestätigt. (Kasachstan liegt aber auf jeden Fall auf Platz zwei)
 

 

 
 
 Der Klassiker: Wenn irgendwo ein Gruppenfoto gemacht wird - dazustellen, freundlich lächeln, "Ich darf doch auch mal oder?"
 
 
 
 
Die Turkmenen sind tief religiös. Viele Menschen sind betend um diesen Turm herumgelaufen und haben ihn dabei durchgehend mit der Hand abgestreichelt. 
 
 


Dienstag, 26. März 2013

Khiva, auch geil

Beim Wettlauf um den Präsidenten mit dem größten Batscher liegt Usbekistan immerhin auf Platz zwei, direkt hinter Turkmenistan.




Islam Karimov regiert das Land seit 22 Jahren kleptokratisch, saugt es mit Hilfe seines Clans aus. Die wichtigsten Posten im Business-Bereich sind mit Familienmitgliedern besetzt. Der Reichtum des Clans geht vermutlich bis in die Milliarden, während sich das Volk mit wenigen hundert Dollar Durchschnittslohn durchschlägt.

Um sein Vermögen zu mehren, greift Karimov auch zu schlimmen Methoden, wie z.B. Kinderarbeit: Ganze Schulklassen werden im Herbst vom Unterricht freigestellt und wochenlang als Billigkräfte auf Baumwollfeldern eingesetzt. Eine weltweit einzigartige Form der staatlich angeordneten Zwangsarbeit. Auch das Gold und die Gelder aus den Gasreserven verschwinden vor allem in den Taschen der Karimov-Familie. Vieles wird außer Landes geschmuggelt.

Da der Präsident keinen Sohn besitzt, ist seine Tochter Gulnara eine der zentralen Figuren bei diesen Schurkereien. Sie ist nicht nur eine mächtige Geschäftsfrau, sondern auch ein Popstar ...

http://www.youtube.com/watch?v=N7GM2JGTswc

(Lässt sich hier nicht richtig einfügen, nur das Bild dazu...)



Was eigentlich Depardieu so reitet, fragt man sich schon länger ...

Wie reagiert das usbekische Volk auf diese räuberische Regierung? 2005 gab es eine Protestwelle. In Andijan im Ferganatal versammelten sich rund 1000 Demonstranten und verlangten die Freilassung von 23 jungen Geschäftsleuten, die wegen angeblichem Islamismus angeklagt wurden. Aufständische stürmten eine Kaserne und das Gefängnis der Stadt, die Lage geriet außer Kontrolle. Das Militär eröffnete das Feuer auf die Demonstranten und tötete vermutlich 400 bis 600 Personen. Bis heute wird dieses Massaker nicht aufgeklärt. Es ist ein Tabuthema.

Ich habe Andijan ab und zu vorsichtig angesprochen, um zu testen, wie die Menschen darauf reagieren. Typischerweise lief das so ab: Erst einmal wurde zusammengezuckt, dann wurde sich umgesehen, ob auch niemand in der Nähe ist, der mithören könnte und dann kam meistens ein Satz wie: "Ja, ja, das war schon krass damals. Unsere Regierung ist schlimm..." Dann kam meistens ein großes ABER: "Jetzt ist alles besser, es ist ruhig, es geht voran mit unserem Land. Wir haben alles, wir produzieren ganz prima, haben so viel Obst und Gemüse, wie kein anderes Land in Zentralasien. Usbekistan ist ein reiches Land, ein tolles Volk und wenn man die Regierung in Ruhe lässt, lassen die einen auch in Ruhe usw."

Gut, wir sind ja nicht gekommen, um eine Revolution zu starten. Nehmen wir das mal so hin und sehen uns den Reichtum des Landes weiter an, als da wäre ...

Khiva!
 

 
 
Die Altstadt des kleinen Städtchens ist von einer Sandsteinmauer umgeben.



 
Viele ruhige Gassen, ziemlich relaxed ...
 
 
 
Das türkise Kalta-Minor-Minarett ist das Wahrzeichen von Khiva.
 
 
 
Als ich hier stand, schoss mir in den Kopf: Ein Ort, so schön - genau hier würde mein Freund Alex Rosen einen Handstand machen, vielleicht da ganz vorne rechts, auf dem Sockel an der Spitze.
 
 
 
 
Nein, es sind nicht schon wieder so 'ne Tempel ... - Jede Stadt hat schon etwas eigenes. 
 
 
Mein Hostel, das "Lali Opa" (komischer Name) war auch klasse: immer nette Leute da, u.a. eine Gruppe von 6 jungen Schweizern, die mit zwei Jeeps durch die ganze Welt kurven. Irgendwie ist hier die Worldtripitis ausgebrochen.
 
 
 
 
Und dann war da noch ein supernettes Paar aus Madrid. Sie haben mich überredet, zu einem Wüstentrip mitzukommen. (Khiva ist in der Tat von Wüste umgeben.) Es hat sich gelohnt, nicht nur, weil ich mal wieder einen ganzen Tag lang Spanisch trainieren konnte... 
 
 
 


Was gab's in der Wüschte außer Sand? Alte Fortalezas (wie es die Spanier nannten) aus Lehm ...
 
 
 
Ja, Wahnsinn ... 
 
 
 
Is des schee ...
 
 
Wie alt diese Fortalezas sind, hatten wir vergessen nachzuschlagen und unser Fahrer, ein dicker gemächlicher Usbeke, der meist im Auto wartete, war nicht sonderlich interessiert und auskunftsfreudig.
 
Diese Jungs staunten nicht schlecht, als sie ankamen und vier fotografierende Idioten vorfanden. (Neben uns war noch ein Japaner, der kein Englisch konnte, mit dabei) 
 
 
 
 
 
Eine Juuuuuuuurte, ich dachte schon ich bekomme sie (auf Grund der falschen Jahreszeit) gar nicht mehr zu Gesicht.
 
 
 Endlich! Das Bild das ich unbedingt haben wollte. In Kirgistan war ich ganz enttäuscht, dass ich nirgends so ein Ding gesehen habe.
 
Mal reingucken, wa ...
 
 
 
 
und nun die Decke, wie auf der kirgisischen Flagge zu sehen...

 
 
  
 
Am Ende der Tour, im Restaurant, habe ich festgestellt: Die usbekischen Mädels - sie tanzen doch ...
 
 
 
 
 
 

Dienstag, 19. März 2013

Unterwegs mit Shachrat

In Buchara war ich einen ganzen Tag und eine Nacht mit Shachrat (25, Englisch-Übersetzungs-Student) und anderen "locals" unterwegs.

 
Hier steht er im Museum, neben dem Thron Mohammed Alim Khans, des letzten Emirs des Emirats Buchara (1922 wurde er von dort vertrieben). Ich habe Shachrat gesagt, ich werde behaupten, er sei ein Nachfahre des Emirs.
 
Laut Shachrat hatte der Emir um die 100 Frauen und auch eine Menge Lustknaben. Diese pflegten, sich in einem Pool aufzuhalten. Wenn es den Emir gelüstete, warf er einen Apfel hinein. Sofort stürzten sich die Knaben darauf. Der Glückliche, der den Apfel schnappte, durfte die Nacht mit dem Herrscher verbringen, eine große Ehre. Doch der Emir soll sich in Punkto Liebe nichts vorgemacht haben. Einen Wesir, der den Emir ob dessen Manneskraft bewunderte, ließ er 50 Eier verspeisen. Dann fragte er den Wesir: "Na, wie war es?" Der Wesir sagte: "Am Anfang war es spannend, denn die Eier schienen alle unterschiedlich zu sein, verschiedene Farben, verschiedene Formen. Doch dann musste ich feststellen, dass sie von innen alle gleich sind." - "Siehst du", sagte der Emir, "genauso verhält es sich mit den Liebschaften."
 
Shachrat erzählte mir einen Haufen solcher schlüpfriger Geschichten. Auch seine Trinksprüche am Abend gingen in diese Richtung: "Möge Gott dafür sorgen, dass die Wölfe in den Bergen bleiben und die Frauen in unseren Betten."

Wie habe ich Shachrat kennengelernt? Eigentlich per Zufall. Ich bin in die Stadt gegangen und habe nach einem illegalen Geldwechsler gesucht. In einem Schuhmachergeschäft habe ich den Inhaber gefragt, ob er wisse, wo ich hingehen könne. Der ältere Herr rief Shachrat, seinen Sohn, an. Dieser führte mich dann auf den Bazar, in die Geldwechselstube mit dem besten Kurs. Danach beschloss er, mein Kumpel zu sein und den Tag mit mir zu verbringen. Ich überlegte kurz, ob ich das auch will, fand es dann aber doch irgendwie interessant.

Wir haben den ganzen Tag in der Stadt abgehangen, alle Sehenswürdigkeiten angeguckt, Shachrats Uni besucht, die Schule in der er Unterricht gibt. Wir haben mit gut 50 Jungs in der Stadt eingecheckt (handshake, bussi, bussi, alle kennen und lieben Shachrat), haben mit Mädels "geflirtet" und Schnaps für den Abend eingekauft.

Schon am Anfang des Tages habe ich mir gedacht: Ich lade den Jungen ein, kein Ding, schließlich kostet ein Essen in der Regel nur 1-2 Euro, ein Kaffee oft unter einen Euro, eine Taxifahrt, wenn ein local dabei ist, 60 Cent. Etwas seltsam war nur, dass es für Shachrat gar nicht zur Debatte zu stehen schien, nicht eingeladen zu werden. Er nannte mir jedes Mal einfach nur die Geldbeträge, die ich zu zahlen hatte, er selbst hatte kein Geld dabei. Na gut, dachte ich, sparen wir uns eben sämtliche Höflichkeitsrituale und nehmen das einfach so hin.


Buchara fand ich insgesamt sogar noch schöner, als Samarkand, denn hier gibt es eine richtige zusammenhängende Altstadt, in der die Menschen auch wohnen. In Samarkand stehen nur einzelne leere alte Bauwerke herum.



 Zentralasiens "heiligste" Moschee, die Kalon-Moschee in Buchara. Hier habe ich Shachrat 10 Minuten lang beten lassen, denn es war Freitag. Nach dem Gebet hat er mir den Gebetsraum gezeigt. Es roch streng nach Parfüm. "Muschki Ambar" (männliches Aroma), schwärmte Shachrat, der sonst allerdings eindeutig auf Frauen steht. Er hat zur Zeit 7 "girlfriends".
 
 
 
Auch eines der wichtigeren Gebäude, soweit ich mich erinnern kann...

 
 
 
 Schöne Ecken überall ...
 

 
 
...da kann man sich totfotografieren.

 
 
 
 
Und ... nächster Urlaub - Usbekistan! Schon gebucht, oder? 
 
Jetzt mal im ernst: Samarkand, Buchara, Khiva - alle drei Städte haben extrem schöne Bauwerke zu bieten. Allerdings befinden die sich in relativ überschaubaren Komplexen, die man locker in einem halben Tag ablaufen kann. Der Rest der Stadt ist meist völlig hässlich.

 
 
 
Plötzlich standen wir an einer Mauer, vor dieser Holztür. Shachrat wollte mir etwas zeigen...

 
 
 
 
Hinter der Tür befand sich ein orientalisches Dampfbad mit heißen Steinen. Es gab Massagen, die ein wenig nach Folter aussahen. Wir sind einfach mit Klamotten und Straßenschuhen zwischen den nackten Männern hindurchspaziert. Nein, ich habe es mir verkniffen, einen der Badegäste zu fotografieren.
 
 
Dann kam der Abend und Shachrat führte mich zunächst zu einem traditionellen Restaurant, in dem nur die locals essen. Es gab das beste und tollste Essen der Stadt, laut Shachrat. Ich muss leider sagen: Boah, igitt, stimmt leider überhaupt nicht. Es gab Pansensuppe (uaaaahhh, schmeckte ganz ekelhaft nach Schlachthof, habe ich nicht runtergekriegt) und so eine Art Riesenraviolis, mit Eierstich gefüllt (schmeckte leider auch nur nach Teig mit Eierstich, war aber essbar)

Im Restaurant haben wir uns eine Menge Cognac-Cola (Shachrats Lieblingsgetränk) hinter die Binde gekippt und über Frauen philosophiert. Shachrat wurde als junger Bursche von seiner ersten Freundin dermaßen enttäuscht (sich ließ ihn für einen anderen sitzen), dass er sich schwor, niemals wieder eine Frau wirklich zu lieben. Seine 7 Freundinnen hält er einigermaßen auf Distanz (obwohl sein Handy schon ziemlich häufig klingelt, woraufhin er meist irgendetwas liebevolles hineinsäuselt).

Mit einem der Mädels wäre es fast ernster geworden, erzählte Shachrat, allerdings war sie aus "besserem Hause" und den Eltern des Mädchens gefiel Shachrats dominante Art nicht. Er verbat ihr, auszugehen: "Eine Frau hat sich nur für ihren Mann zu interessieren, sie soll nur ihn lieben, im Leben und im Bett." Das Mädchen habe das eingesehen, nur die Eltern nicht.

Am späteren Abend kam noch ein ziemlich netter Russe, ein Studienkollege von Shachrat, hinzu und wir haben uns in einem Teehaus eine Wasserpfeife zu Gemüte geführt. Sie war mit Milch gefüllt, der Tabak mit Haschisch angereichert, schmeckte toll. Etwas benebelt haben wir uns dann auf die Suche nach einer Disko gemacht, sind dabei mit einem halben dutzend Taxis durch die ganze Stadt gegurkt. In Buchara läuft es übrigens, wie fast überall in Zentralasien: Man stoppt irgendein Fahrzeug, verhandelt und zahlt dann 50 Cent bis einen Euro, bzw. das doppelte, wenn man keinen Einheimischen dabei hat.

Was haben die Jungs (vor allem Shachrat) unterwegs für Sprüche losgelassen: von tollen Mädels, tollen Aufrissabenden war die Rede. Wie die größten Don Juans aus Buchara kamen sie mir vor.

Die Realität sah dann doch etwas anders aus an diesem Freitag abend: Alle Clubs waren zu, bis auf einen. Darin: 50 Menschen, 47 davon - Männer. Es war superlustig mitanzusehen, wie 20 Männer die Tanzfläche unsicher machen und sich zu orientalischen Klängen gegenseitig antanzen. Nein, es war kein Schwulenclub, in Usbekistan gibt es keine Schwulen, zumindest offiziell nicht. "Gute Mädchen gehen nicht in die Disko" hieß es zur Erklärung.

In einer anderen Bar habe ich sensationelle Folkmusik gehört: superschnelles Bongogetrommel und ein Beat der einschlug, wie eine Dampfwalze. Dazu orientalische Melodien. Unwiderstehlich! Einige Jungs machten Bocksprünge, tanzten wie Derwische. Was ist das bloß, das ist ja der Hammer, habe ich gefragt. "Musik aus dem Kaukasus" wurde mir gesagt, vermutlich aus Aserbaidschan oder aus Tschetschenien.

Na vielleicht muss man dort auch irgendwann einmal vorbeischauen...

Zurück in meinem Hotelzimmer habe ich festgestellt, dass man eigentlich gar nicht ausgehen muss, um Spaß zu haben. Man muss sich einfach nur eine usbekische Fernsehsoap reinziehen...


Sonntag, 17. März 2013

Der architektonische Knaller Samarkand

Oh, oh, Journalistenkollegin Edda (die Antonia Rados Zentralasiens) hat geschrieben, sie sei gespannt, was ich reportagemäßig aus Usbekistan herausholen werde...

Tja, ich muss sagen, ich bin seit Osh irgendwie ziemlich faul geworden. Gestern habe ich z.B. in Buchara direkt neben der Synagoge und dem Gemeindezentrum der "Buchara-Juden" gewohnt. Es gibt wohl nur noch ganz wenige von ihnen in der Stadt, sie sind in der ganzen Welt verstreut. Was man da wohl alles für interessante Geschichten hätte erzählen können...

Aber ich war sooooo faul und jetzt bin ich irgendwie schon nach Khiva weitergefahren.

Naja, immerhin habe ich bereits sieben potentielle Reportagen im Gepäck und die muss man ja auch erst einmal alle schreiben und irgendwo unterbringen. Die journalistische Motivation hat jedenfalls rapide nachgelassen. Ich bin zum gemeinen Backpacker geworden.



Aber, mein lieber Schollie, was habe ich für architektonische Megakracher gesehen, in den letzten Tagen. Städte wie aus "Tausend und einer Nacht". Kulissen für Märchen wie "Olibaba und die 40 Taxischurken".

Von Tashkent bin ich zunächst weiter (bzw. ein kleines Stück zurück) nach Samarkand gefahren, dann nach Buchara, dann nach Khiva, zu den Perlen der Seidenstraße.





Die Fahrt nach Samarkand war zur Abwechslung mal sehr angenehm. Ein Zuuuhuuhuug, juchu! Und supernette Studenten als Mitfahrer, endlich ausschließlich normale und interessante Gespräche.




In Taxis (wenn man nicht gerade eine tadschikische Russischprofessorin neben sich hat) läuft die Unterhaltung in der Regel immer nach demselben Muster ab:

"Otkuda ti prijechal? (Wo kommst Du her?)" - "Germania" - "Aaaah, Germania, haroshaja strana! (gutes Land). Haroshije mashini! (gute Autos). Mercedes, Volkswagen..." - "Da, da, BMW, Audi i Porsche." - "Kak tebja zovut, skolka ljet, zhenat?  (Wie heisst du, wie alt bist du, verheiratet?)" Und dann geht's meistens so weiter: "Kak ti nje zhenat, njet djetej? (Wie kannst Du nur so leben?)" Und dann erkläre ich, dass man in Deutschland in der Regel mit 35 heiratet ;-)

Da ich meinen Mitfahrern keine eigene Familie anzubieten habe, fragen sie nach Eltern und Geschwistern: "Aha, deine Schwester hat zwei Kinder, was sind das für Kinder? ... Aha, Junge und Mädchen." Was für eine spannende Info für jemanden, der sonst kaum etwas über mich weiß.

Wenn ich wiederum versuche, etwas zu erfragen, außerhalb der Familienbeschaffenheit, kommen meist nur einsilbige Antworten. Doch im Zug nach Samarkand war es zum Glück anders...


In Samarkand angekommen, war ich erst einmal erstaunt, denn die Polizeipräsenz war auf einmal deutlich geringer. (Ich wurde seit Tashkent kein einziges Mal mehr kontrolliert.) Dafür sind die Händler in Samarkand schlimm, oh mein Gott...
Da lästere ich noch über Indien und freue mich über die zurückhaltenden Zentralasiaten und kaum laufe ich über den Samarkander Basar, geht's schon los.

Eine Bettlerin kommt auf mich zu und streckt ihre Hand aus. Ich lege 1000 Som hinein. Sofort erscheinen vier weitere Bettlerinnen und zupfen an mir herum. Ich laufe weiter, alle vier hinter mir her, ich jogge, alle hinterher: "Miiiiiiiister, davaj moooooney!" Hilfe!

Ich schaffe es, sie abzuschütteln und bleibe stehen, da drückt mir plötzlich ein Händler einen Klumpen in die Hand und fordert ziemlich aggressiv: "Probier, probier! Ist toll, getrocknete Bananen, Nüsse und Feigen..." Ok, ich will ja nicht unfreundlich sein und das Ding einfach wegwerfen ... (Eigentlich bin ich viel zu weich für so einen indoarabischen Bazar-Style, denke ich.)
Jedenfalls schaffe ich es nur gegen viel Gezeter und Geschrei ankämpfend, für einen Euro und nicht für 10 Euro von diesem Früchtekram einzukaufen.

Als der nächste Händler dasselbe Spielchen mit rohen Kartoffeln probiert, reicht es mir. Ich laufe weiter und nehme eine megaarrogante und abweisende Haltung an. Ich würge jede Begrüßung, jedes Gespräch sofort mit "No, thank you" ab. Die Händler wollen es offenbar nicht anders.

Ein paar Fotos habe ich dennoch geschossen...


 
Sonnenblumenkerne sind der Renner.
 
 
 
Die Ladys von der Tomatentheke.
 
 
 
 
Und jetzt kommt mein Lieblingsprodukt, der Usbekenhut ...
 
 
 
Der folgende Hut aus Schafswolle ist kein Scherzartikel, sondern bitterer Ernst ...
 
 
 
Nein, ich habe ihn nicht gekauft. Das kostete mich allerdings viel Standhaftigkeit, denn die Händlerin dachte bei mir ernsthaftes Interesse entdeckt zu haben.
 
 
Und jetzt kommen die eigentlichen Highlights aus Samarkand. Festhalten zum staunen ...
 
 
 
Der weltberühmte Registan...
 
 
 
Wahnsinn!
 
 
 
Der Knaller! 
 
Ein Ensemble majestätischer Medressen, fast schon überladen mit azurblauen Mosaiks, dazu große, wohl proportionierte Freiflächen - sagt zumindest der Lonely Planet. (Stimmt schon so.)
 
Der Registan in Samarkand war wohl einer der Marktplätze schlechthin auf der Seidenstraße. Hier zogen einst unzählige Händlerkarawanen durch, auf dem Weg von China bis zum Mittelmeer. Heute ist der Registan eine Art Museum, für das man Eintritt bezahlt und gleichzeitig ein riesiger Souvenirshop, um dessen einzelne Geschäfte man besser einen großen Bogen macht, weil die Händler viel zu anstrengend sind. Insgesamt trotzdem beeindruckend.
 
Auch außerhalb des Registans gibt es in Samarkand einiges zu sehen, z.B. die Bibi-Khanym Moschee, die im 14. Jahrhundert fertiggestellt wurde. Sie galt als das prächtigste Bauwerk im Reich des Eroberers Timur (auch als Tamerlan bekannt).
 
 
 
 
 


Auch sehr schön: Shah-i-Zinda, Samarkands kleine Avenue der Mausoleen ...

 

Schauen wir doch mal hinein ...
 
 
Wow !
 
 
 
Ist das toll!
 
Aber auch anstrengend, nach einem ganzen Tag hatte ich die Nase voll von dieser Tempelei.
 
 
Zum Glück hatte ich auch ein echt gemütliches Hostel, mit Wifi und Backpacker-Highlife, zum ersten Mal: zwei Koreaner waren da, ein Chinese, ein Taiwanese aus Neuseeland und Karsten mit seinem 10-jährigen Sohn, dessen etwas komplizierten chinesischen Namen ich leider vergessen habe aufzuschreiben. Song Yun, wenn mich nicht alles täuscht. Karsten kommt aus der Schweiz und ist seit über einem halben Jahr mit seinem Sohn und diesem Auto auf Weltreise...
 
 
 
 
Ihr Lieblingsland bislang: Oman. In Samarkand kam die taiwanesische Mutter des Jungen herbeigeflogen, um die beiden Weltreisenden unterwegs zu besuchen. Die beiden haben so einiges durchgemacht. Zu den schlimmsten Erlebnissen gehörten das völlige abgezockt werden und die einstweilige Verweigerung der Weiterfahrt an der iranischen Grenze und türkische Kinder, die neben dem Auto herrannten und drohten, die Scheiben einzuschlagen. Na da bin ich mit meinen Taxischurken noch relativ glimpflich davongekommen.
 
In Samarkand habe ich via BBC Fernsehen mitverfolgen können, dass wir einen neuen Papst haben, der offenbar deutlich cooler drauf ist, als der alte. Na, dann...