Dienstag, 19. März 2013

Unterwegs mit Shachrat

In Buchara war ich einen ganzen Tag und eine Nacht mit Shachrat (25, Englisch-Übersetzungs-Student) und anderen "locals" unterwegs.

 
Hier steht er im Museum, neben dem Thron Mohammed Alim Khans, des letzten Emirs des Emirats Buchara (1922 wurde er von dort vertrieben). Ich habe Shachrat gesagt, ich werde behaupten, er sei ein Nachfahre des Emirs.
 
Laut Shachrat hatte der Emir um die 100 Frauen und auch eine Menge Lustknaben. Diese pflegten, sich in einem Pool aufzuhalten. Wenn es den Emir gelüstete, warf er einen Apfel hinein. Sofort stürzten sich die Knaben darauf. Der Glückliche, der den Apfel schnappte, durfte die Nacht mit dem Herrscher verbringen, eine große Ehre. Doch der Emir soll sich in Punkto Liebe nichts vorgemacht haben. Einen Wesir, der den Emir ob dessen Manneskraft bewunderte, ließ er 50 Eier verspeisen. Dann fragte er den Wesir: "Na, wie war es?" Der Wesir sagte: "Am Anfang war es spannend, denn die Eier schienen alle unterschiedlich zu sein, verschiedene Farben, verschiedene Formen. Doch dann musste ich feststellen, dass sie von innen alle gleich sind." - "Siehst du", sagte der Emir, "genauso verhält es sich mit den Liebschaften."
 
Shachrat erzählte mir einen Haufen solcher schlüpfriger Geschichten. Auch seine Trinksprüche am Abend gingen in diese Richtung: "Möge Gott dafür sorgen, dass die Wölfe in den Bergen bleiben und die Frauen in unseren Betten."

Wie habe ich Shachrat kennengelernt? Eigentlich per Zufall. Ich bin in die Stadt gegangen und habe nach einem illegalen Geldwechsler gesucht. In einem Schuhmachergeschäft habe ich den Inhaber gefragt, ob er wisse, wo ich hingehen könne. Der ältere Herr rief Shachrat, seinen Sohn, an. Dieser führte mich dann auf den Bazar, in die Geldwechselstube mit dem besten Kurs. Danach beschloss er, mein Kumpel zu sein und den Tag mit mir zu verbringen. Ich überlegte kurz, ob ich das auch will, fand es dann aber doch irgendwie interessant.

Wir haben den ganzen Tag in der Stadt abgehangen, alle Sehenswürdigkeiten angeguckt, Shachrats Uni besucht, die Schule in der er Unterricht gibt. Wir haben mit gut 50 Jungs in der Stadt eingecheckt (handshake, bussi, bussi, alle kennen und lieben Shachrat), haben mit Mädels "geflirtet" und Schnaps für den Abend eingekauft.

Schon am Anfang des Tages habe ich mir gedacht: Ich lade den Jungen ein, kein Ding, schließlich kostet ein Essen in der Regel nur 1-2 Euro, ein Kaffee oft unter einen Euro, eine Taxifahrt, wenn ein local dabei ist, 60 Cent. Etwas seltsam war nur, dass es für Shachrat gar nicht zur Debatte zu stehen schien, nicht eingeladen zu werden. Er nannte mir jedes Mal einfach nur die Geldbeträge, die ich zu zahlen hatte, er selbst hatte kein Geld dabei. Na gut, dachte ich, sparen wir uns eben sämtliche Höflichkeitsrituale und nehmen das einfach so hin.


Buchara fand ich insgesamt sogar noch schöner, als Samarkand, denn hier gibt es eine richtige zusammenhängende Altstadt, in der die Menschen auch wohnen. In Samarkand stehen nur einzelne leere alte Bauwerke herum.



 Zentralasiens "heiligste" Moschee, die Kalon-Moschee in Buchara. Hier habe ich Shachrat 10 Minuten lang beten lassen, denn es war Freitag. Nach dem Gebet hat er mir den Gebetsraum gezeigt. Es roch streng nach Parfüm. "Muschki Ambar" (männliches Aroma), schwärmte Shachrat, der sonst allerdings eindeutig auf Frauen steht. Er hat zur Zeit 7 "girlfriends".
 
 
 
Auch eines der wichtigeren Gebäude, soweit ich mich erinnern kann...

 
 
 
 Schöne Ecken überall ...
 

 
 
...da kann man sich totfotografieren.

 
 
 
 
Und ... nächster Urlaub - Usbekistan! Schon gebucht, oder? 
 
Jetzt mal im ernst: Samarkand, Buchara, Khiva - alle drei Städte haben extrem schöne Bauwerke zu bieten. Allerdings befinden die sich in relativ überschaubaren Komplexen, die man locker in einem halben Tag ablaufen kann. Der Rest der Stadt ist meist völlig hässlich.

 
 
 
Plötzlich standen wir an einer Mauer, vor dieser Holztür. Shachrat wollte mir etwas zeigen...

 
 
 
 
Hinter der Tür befand sich ein orientalisches Dampfbad mit heißen Steinen. Es gab Massagen, die ein wenig nach Folter aussahen. Wir sind einfach mit Klamotten und Straßenschuhen zwischen den nackten Männern hindurchspaziert. Nein, ich habe es mir verkniffen, einen der Badegäste zu fotografieren.
 
 
Dann kam der Abend und Shachrat führte mich zunächst zu einem traditionellen Restaurant, in dem nur die locals essen. Es gab das beste und tollste Essen der Stadt, laut Shachrat. Ich muss leider sagen: Boah, igitt, stimmt leider überhaupt nicht. Es gab Pansensuppe (uaaaahhh, schmeckte ganz ekelhaft nach Schlachthof, habe ich nicht runtergekriegt) und so eine Art Riesenraviolis, mit Eierstich gefüllt (schmeckte leider auch nur nach Teig mit Eierstich, war aber essbar)

Im Restaurant haben wir uns eine Menge Cognac-Cola (Shachrats Lieblingsgetränk) hinter die Binde gekippt und über Frauen philosophiert. Shachrat wurde als junger Bursche von seiner ersten Freundin dermaßen enttäuscht (sich ließ ihn für einen anderen sitzen), dass er sich schwor, niemals wieder eine Frau wirklich zu lieben. Seine 7 Freundinnen hält er einigermaßen auf Distanz (obwohl sein Handy schon ziemlich häufig klingelt, woraufhin er meist irgendetwas liebevolles hineinsäuselt).

Mit einem der Mädels wäre es fast ernster geworden, erzählte Shachrat, allerdings war sie aus "besserem Hause" und den Eltern des Mädchens gefiel Shachrats dominante Art nicht. Er verbat ihr, auszugehen: "Eine Frau hat sich nur für ihren Mann zu interessieren, sie soll nur ihn lieben, im Leben und im Bett." Das Mädchen habe das eingesehen, nur die Eltern nicht.

Am späteren Abend kam noch ein ziemlich netter Russe, ein Studienkollege von Shachrat, hinzu und wir haben uns in einem Teehaus eine Wasserpfeife zu Gemüte geführt. Sie war mit Milch gefüllt, der Tabak mit Haschisch angereichert, schmeckte toll. Etwas benebelt haben wir uns dann auf die Suche nach einer Disko gemacht, sind dabei mit einem halben dutzend Taxis durch die ganze Stadt gegurkt. In Buchara läuft es übrigens, wie fast überall in Zentralasien: Man stoppt irgendein Fahrzeug, verhandelt und zahlt dann 50 Cent bis einen Euro, bzw. das doppelte, wenn man keinen Einheimischen dabei hat.

Was haben die Jungs (vor allem Shachrat) unterwegs für Sprüche losgelassen: von tollen Mädels, tollen Aufrissabenden war die Rede. Wie die größten Don Juans aus Buchara kamen sie mir vor.

Die Realität sah dann doch etwas anders aus an diesem Freitag abend: Alle Clubs waren zu, bis auf einen. Darin: 50 Menschen, 47 davon - Männer. Es war superlustig mitanzusehen, wie 20 Männer die Tanzfläche unsicher machen und sich zu orientalischen Klängen gegenseitig antanzen. Nein, es war kein Schwulenclub, in Usbekistan gibt es keine Schwulen, zumindest offiziell nicht. "Gute Mädchen gehen nicht in die Disko" hieß es zur Erklärung.

In einer anderen Bar habe ich sensationelle Folkmusik gehört: superschnelles Bongogetrommel und ein Beat der einschlug, wie eine Dampfwalze. Dazu orientalische Melodien. Unwiderstehlich! Einige Jungs machten Bocksprünge, tanzten wie Derwische. Was ist das bloß, das ist ja der Hammer, habe ich gefragt. "Musik aus dem Kaukasus" wurde mir gesagt, vermutlich aus Aserbaidschan oder aus Tschetschenien.

Na vielleicht muss man dort auch irgendwann einmal vorbeischauen...

Zurück in meinem Hotelzimmer habe ich festgestellt, dass man eigentlich gar nicht ausgehen muss, um Spaß zu haben. Man muss sich einfach nur eine usbekische Fernsehsoap reinziehen...


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